Der Medienspiegel der Deutsch-Maghrebinischen Gesellschaft erscheint zweimal pro Jahr 

 

Er enthält Buchrezensionen vorwiegend von Verlagen im deutschsprachigen Raum. Besprochen werden jeweils neue Publikationen mit Bezug zum Maghreb, zum Islam, zur Integration, zur Politik und anderem mehr. Ferner bringt der Medienspiegel  Kulturnachrichten sowie Hinweise auf Internetseiten und Veranstaltungen. Er ist exklusiv für Mitglieder der Deutsch-Maghrebinischen Gesellschaft bestimmt; sie erhalten ihn per Post zugesandt.

 

Rezension aus unserem Medienspiegel 2/2022 

Yallah Deutschland, wir müssen reden! Aus dem Leben einer deutsch-marokkanischen Beamtin. Von Souad Lamroubal. Klappbroschur. 176 Seiten. Dietz Verlag, Bonn 2022

ISBN: 978-3-8012-0636-9  Preis: 22,00 €  Auch als eBook erhältlich

Souad Lamroubal hat mit Deutschland ein Hühnchen zu rupfen, und zwar eines von ansehnlichen Dimensionen. Nun macht sie ihrer lang aufgestauten Empörung mit einer geharnischten Standpauke Luft.

Deutschland bekennt sich zwar (wenn auch nicht ohne leisen Widerwillen) zur Integration, lässt es dann aber am Bemühen zu deren praktischer Umsetzung mangeln, und zwar in Gedanke, Wort und Tat – also in so ziemlich jeder erdenklichen Hinsicht. In der Kategorie „Wort“ vielleicht noch am wenigsten, doch dafür ist das Thema „Behördendeutsch“ eine eigene unendliche Geschichte.

Souad Lamroubal, geboren 1982 in Dormagen, ist selbst Tochter eines marokkanischen „Gastarbeiter“ehepaares. Als Kind begleitete sie ihren Vater bei Behördengängen, leistete dabei Übersetzungshilfe, und die Art des Umgangs mit ihm prägte ihren Entschluss, selbst Beamtin zu werden. Von 2006 an arbeitete sie selbst jahrelang in der Ausländerbehörde. Heute ist sie Kommunalbeamtin in einer nordrhein-westfälischen Stadt.

Zudem ist sie noch Vereinsvorsitzende und Initiatorin der Bonner Comedy Nacht. Aber Obacht – am Humor wird in „Yallah Deutschland“ eher gespart, und wo doch mal ein ferner Hauch davon auszumachen ist, kommt er versetzt mit einer tüchtigen Portion Galle.

Angefangen mit dem entwürdigenden Umgang seinerzeit mit den „Gastarbeitern und Gastarbeiterinnen“ über sich verändernde Definitionen oder auch Zielsetzungen von Integration, Überforderung durch den Zwang zu „Integrationskursen“, unrealistische Anforderungen in Sachen Spracherwerb, und dazu immer der wenig tolerante Umgang der Ausländerbehörden mit den Zugewanderten, der oft genug selbst geprägt von Überforderung und Misstrauen … der Beispiele gibt es viele. Aber natürlich geht sie nicht nur mit den Institutionen ins Gericht, sondern mit dem gesamten Establishment, seinen Vorurteilen, seinem oft gedankenlosen Alltagsrassismus, seinen übersteigerten Forderungen an die, die hier heimisch werden wollen, dazu speziell die Art, wie kleine Teilerfolge der Betroffenen dann im Alltag keineswegs honoriert werden. Die Fallbeispiele, die sie aufzeigt, begleiten ihren eigenen Weg durch mittlerweile drei Generationen von Immigranten: die ihrer Eltern, ihre eigene und inzwischen die ihrer Kinder. Ein unrühmlicher Höhepunkt ist dabei ein rassistisch motivierter tätlicher Angriff auf ihren Sohn Ouassim im Oktober 2020 mitten auf einem Düsseldorfer Bahnsteig, wobei – man mag es kaum glauben – niemand helfend eingegriffen hat.

Souad Lamroubal legt ihren Finger in jede verfügbare Wunde, und davon gibt es, wie uns vor Augen geführt wird, nicht wenige. „Yallah Deutschland, wir müssen reden!“ heisst ihre Streitschrift. Jetzt aber redet erst einmal sie, und das tut sie eloquent und mit trefflich scharfer Klinge, pardon, Zunge. Der Form nach ist ihr Text ein Zwiegespräch, doch tatsächlich handelt es sich natürlich um einen Monolog, bei dem sie ihrem Gegenpart die Antwort gemäß eigener Erfahrung in den Mund legt oder, was weitaus häufiger vorkommt, ihn eine Antwort schuldig bleiben lässt.

Was für ein gutes Gefühl, das personifizierte Deutschland wie einen bockigen Pennäler zum Schämen in die Ecke stellen zu können!

 

Auszüge aus unserem Medienspiegel vom 1. Halbjahr 2021

Belletristik

Algerien

Ein Match für Algerien. Von Javi ReyBertrand Galic und Kris. Aus dem Französischen von Daniel Zumbühl. Hardcover (22×32 cm), 136 Seiten. bahoe books, Wien 2021.

ISBN: 978-3-903290-46-4. Preis: 24,00 €

“Ein Match für Algerien” ist ein politischer Comic (sog. graphic novel). Die Befreiungskämpfe der Kolonien hatten die Solidarität der 68er-Bewegung. In Frankreich standen die Proteste unter dem Eindruck des 1962 beendeten algerischen Unabhängigkeitskriegs. Darin spielte eine Fußballmannschaft eine bedeutende Rolle: wo ein Nationalteam, da auch eine Nation – so lautete die Idee der algerischen Unabhängigkeitsbewegung FLN, als sie 1957 beschloss, eine eigene Mannschaft zu gründen. Die Spieler wurden teilweise aus der französischen Liga rekrutiert. Vier Jahre reisen die Spieler oft unter großer Gefahr um die Welt und werben für Unterstützung im Kampf gegen die Besatzer. Bis 1961 bestritt das von der FIFA nicht anerkannte Team zahlreiche Freundschaftsspiele in Europa und Asien. Co-Autor Bertrand Galic im Interview: “Die Geschehnisse während des Algerienkriegs sind für die immer noch bestehenden Spannungen mitverantwortlich. …


Tunesien

Das Kamel ohne Höcker. Von Jonas Hassen Khemiri. Aus dem Schwedischen von Susanne Dahmann. Taschenbuch, 272 Seiten. Rowohlt Verlag, Berlin 2020.

ISBN: 978-3-499-27557-9. Preis: 14,00 €

Ein rotes Notizbuch hat Halim geschenkt bekommen. Und jetzt führt er, ein arabischer Schwede, ein schwedischer Araber, Tagebuch in seiner eigenen Sprache. Es gibt viel zu erzählen, z. B. von den Arabern, die die schlauesten Mathematiker haben und die tapfersten Krieger. Und Halim schreibt auch über dieses eine Mädchen, über seinen traurigen Vater und dessen Schach-Partner Nourdine, den arbeitslosen Schauspieler. Mit Witz und Tempo erzählt Jonas Hassen Khemiri von der ungewöhnlichen Selbstfindung eines sensiblen jungen Mannes. …


Sachbuch Wissenschaft

Libyen

Menschlichkeiten in Zeichen der Angst – Reportagen über die Kriegsgebiete und Revolutionen unserer Welt. Von Julia Leeb. Gebundene Ausgabe, 234 Seiten. Suhrkamp Insel Verlag, Berlin 2021.

ISBN: 978-3-518-47075-6. Preis: 18,00 €

Die Fotojournalistin Julia Leeb berichtet von den gefährlichsten Orten unserer Welt. Hautnah erfährt sie, wie sich Menschen in Extremsituationen verhalten, sei es bei den Kämpfen der Nubier im Sudan, bei den Warlords im Kongo, im Krieg in Libyen, während der Revolution in Ägypten oder in der abgeschotteten Diktatur in Nordkorea. Dabei gerät sie selbst in Lebensgefahr: Als sie mit ihren Recherchen der Wahrheit zu nahe kommt, soll sie kaltblütig umgebracht werden. Ein anderes Mal verschleppt man sie, um sie als Zeugin zum Schweigen zu bringen. …

Marokko

Jugend und Gender in Marokko. Eine Ethnographie des urbanen Raums. Von Alewtina Schuckmann. Gebundene Ausgabe, 412 Seiten. Transcript Verlag, Bielefeld 2019.

ISBN: 978-3-8376-4631-3. Preis: 44,99 €

Die Autorin befasst sich mit gegenwärtigen sozialen Transformationsprozessen im urbanen Marokko. Mit Hilfe ethnographischer Methoden werden Transformationen von Geschlechterkonstruktionen, Geschlechternormen und gelebter Realität auf der Mikroebene untersucht und die Perspektive von Akteurinnen und Akteuren deutlich
gemacht. …

 

Verschiedenes

Marokko

Märchenhafte Schönheit. ADAC Reiseführer Marokko. Von Jan Marot. Aus der Reihe: ADAC Reiseführer. Softcover, 114 Seiten. Verlag C.H. Beck, München 2021.

ISBN: 978-3-95689-773-3. Preis: 9,99 €

Marokko betört die Sinne: Ob in Casablanca, Tanger, Marrakesch oder der Hauptstadt Rabat, es liegt der Duft der charakteristischen Gewürze der Landesküche, wie Kreuzkümmel und Zimt, sowie das Aroma des Nationalgetränks – Minztee – in der Luft. Die verwinkelten Gassen der Medinas entführen in farbenprächtige, manchmal vor Geschäftigkeit summende Souks und imposante orientalische Bauwerke, wie die Hassan-II.-Moschee, das höchste sakrale Gebäude der Welt. Außerhalb der Städte erstrecken sich landschaftliche Juwelen: Tiefblaue Bäche, Oasen aus Dattelpalmen und natürlich ein von Wind geformtes Meer aus goldenem Sand, das sich Sahara nennt und sich auch hoch zu Kamel erleben lässt. …

 

Die besten Rezepte für die Tajine – Aromatisch, fettarm und gesund kochen mit dem Dampfgarer der orientalischen Küche. Von Séverine Augé. Mit Fotos von Charly Deslandes. Aus der Reihe: Tout dans 1 Plat. Hardcover, 80 Seiten. Originalverlag: Editions Larousse. Bassermann Verlag/ Verlagsgruppe Penguin Random House, München 2019.

ISBN: 978-3-8094-4180-9. Preis: 7,99 €

Tajine ist sowohl der Name des wunderschönen Gefäßes als auch der darin zubereiteten aromatischen Schmorgerichte. Dieses Kochbuch ist gut geeignet für den Einstieg in das Dampfgaren auf marokkanische Art. Es hat ein übersichtliches Layout und enthält verständliche und nachvollziehbare Arbeitsanweisungen. Die Zutaten sind übersichtlich abgebildet, daneben werden die Rezepte präsentiert. …

 

MENA (Nahost und Nordafrika)

Krieg im Orient. Das Scheitern des Westens. Von Ulrich Tilgner. Gebundene Ausgabe, 272 Seiten. Rowohlt-Verlag, Berlin 2020.

ISBN: 978-3-7371-0097-7. Preis: 22,00 €

Der Nahe und Mittlere Osten ist seit Jahrzehnten ein Brennpunkt der Weltpolitik. Irak, Iran, Saudi-Arabien, Syrien, Libyen, Afghanistan: Die Länder sind unterschiedlich wie ihre jeweiligen Problemlagen, aber eines haben die dortigen Krisen gemeinsam: Sie strahlen in den Westen ab. Migration und Terror heißen die Stichworte. Mehr noch: Der Westen trägt durch seine verfehlte Politik eine große Mitschuld an der Entstehung und Verbreitung von Terrororganisationen wie dem «Islamischen Staat» oder den permanenten (Bürger-)Kriegen in der Region. …